8.15 Uhr: An einem klirrend kalten Januarmorgen treffe ich mit meinem Sohn in der Vorklasse ein. Schnell die Stiefel und den Schneeanzug abgelegt und die Hausschuhe angezogen, schon flitzt er in den Klassenraum, in dem seit 7.30 Uhr die morgendliche Freispielphase stattfindet. Bis 9.00 Uhr können die Kinder in den Tag hineinfinden, sich begrüßen, vom gestrigen Tag erzählen, miteinander oder auch allein das vielfältige Spielangebot annehmen – nicht sich selbst überlassen, sondern von einer Vorklassenlehrerin betreut.
Ein heller Triangelklang ruft um 8.50 Uhr zum Aufräumen. Ein Stuhlkreis wird gebildet und pünktlich um 9.00 Uhr beginnt die erste Lernphase. Was ist mit dem Wasser im Eiswürfelbehälter passiert, der über Nacht auf der Fensterbank gestanden hat? Wie fühlt sich ein Eiswürfel an? Was geschieht, wenn er von Hand zu Hand wandert? Wo bleibt das Wasser? Wie wirken sich Salzkrümel auf dem Eiswürfel aus? Und welcher „Zauber“ lässt danach einen Wollfaden am Eiswürfel haften? Elf Kinder beobachten, beratschlagen, berichten von eigenen Erfahrungen mit Eis, alle beteiligen sich, eifrig, spontan, selbstbewusst oder freundlich ermutigt von der Lehrerin. Ein randvoll gefülltes Wasserglas wird auf einen kleinen Tisch gestellt. Wie viele Centmünzen passen hinein, ohne dass das Glas überläuft? Wie schauen die Centmünzen im Wasser aus? Wie verändert sich der Wasserspiegel? Und warum ist das so? Vergnüglich und spannend diese naturkundliche Vorschulstunde! Ganz selbstverständlich werden auch der sprachliche Ausdruck, das genaue Beobachtungen und das angemessenen Sozialverhalten in der Gruppe geübt.
Nach 45 Minuten freuen sich alle auf das gemeinsame Frühstück: Der Stuhlkreis wird aufgelöst, die Unterrichtmaterialien weggeräumt und die Stühle zum großen Frühstückstisch getragen. Händewaschen, Brotdosen aus der Garderobe holen, Platznehmen, ein freundliches Miteinander wird gefördert und – wenn nötig – eingefordert. Rundherum wird berichtet: Wer hat was mitgebracht? Wie schmeckt das? Es wird probiert und getauscht.
So gestärkt wird um 10.15 Uhr die Englischlehrerin begrüßt. Sie spricht mit den Kindern in den nächsten dreißig Minuten ausschließlich englisch. Einem Begrüßungsritual, in dessen Verlauf jedes Kind mit seinem Namen aufgerufen wird und sich auf englisch meldet, folgt ein Kreislied, das das Erlernen der Bezeichnungen der Körperteile mit handlungsbegleitenden Gesten unterstützt und dem Bewegungsbedürfnis der Fünfjährigen entgegen kommt. Das Zentrum der Unterrichtsstunde bildet eine Erzählung, deren Inhalt und Verlauf die Lehrerin durch das Erstellen eines Bildes mit vorgefertigten Klebefiguren für die Kinder verstehbar macht. Alle hören konzentriert zu. In einem zweiten Schritt sollen die Kinder die noch einmal vorgetragene Geschichte mit den Klebefiguren aus der eigenen Arbeitsmappe darstellen, die Personen und Gegenstände benennen. Eine Herausforderung! (Auch an die Fingerfertigkeit!) Die Lehrerin unterstützt und lobt. Zum Ausklang wird ein weiteres „bewegtes“ Kinderlied gesungen und die Lehrerin beendet mit einem Abschiedsritual den Unterricht: Bye, bye!
Zwanzig Minuten Freispielpause sind wohlverdient! Danach: Eine Exkursion in die Welt der Zahlen! Wo an der Tafel steht welche Zahl? Welche ist meine Lieblingszahl? Das Nachziehen der Ziffern innerhalb von Zahlenhohlformen leitet auf die Eingangsphase des Mathematikunterrichtes in der ersten Klasse hin. Und nun lernt die kleine Gruppe ein neues Spiel mit Zahlen: Bingo! Alle haben die Regeln rasch begriffen und sind mit Feuereifer dabei, identische Zahlen in Längs-, Quer- oder Diagonalreihen auf dem Blatt zu finden. Es gibt Gewinner und Verlierer – auch das will gelernt und ertragen werden! Ein großes Lob für das tolle Mitspielen gewinnen alle.
12.15 Uhr: Das Mittagessen, frisch zubereitet von der Schulköchin ist da! Aufräumen, Händewaschen Tischdecken und Platznehmen am Tisch. Die Lehrerin teilt das Essen aus, unterstützt von den „Tischdienstkindern“, jedes ist einmal in der Woche an der Reihe. Jeder soll alles probieren. Die Zunge soll nicht dumm bleiben. Auf altersgemäße Tischsitten achten die Kinder untereinander – nicht nur die Lehrerin. Nach der Mahlzeit räumen die Tischdienstkinder ab und säubern die Tische.
13.00 Uhr: Nach dem Mittagessen folgt nach dem Stundenplan auf ein Freispielangebot eine letzte Unterrichtsphase, aber: Heute ist ein besonderer Tag! Auf geht’s zum Schlittenfahren am Teufelsberg! Alle zweiundzwanzig Vorschulkinder stapfen fröhlich los. Ich verabschiede mich von einem spannenden Vorschulbesuch, der in jeder Phase dem Lernen mit allen Sinnen gewidmet war.
Dr. B. Skotzek